Es hätte eine ruhige Woche werden sollen Union Berlin. Zum ersten Mal die im Sommer begangen Max Kruse Nicht neben, sondern auf dem Platz für Schlagzeilen: Beim 3: 1-Sieg in Hoffenheim bereitete er zwei Tore vor und erzielte selbst eines. Sie haben ihn dafür reingebracht.
Nur zwei Tage später ist Kruse wieder in den Schlagzeilen, diesmal aus ganz anderen Gründen. Nachdem die Polizei ihn geblitzt hatte, wandte er sich an seine Instagram-Anhänger: Er postete ein Bild der Radarkamera mit der Signatur „Schweine“. Eine Radarkamera fünf Meter hinter einem Schild zu platzieren, sei „schon sehr unsozial“, sagte Kruse. Das „Bild“ berichtete ausführlich, worauf Kruse reagierte, indem er das „Bild“ als „dumm“ betitelte.
Solche Eskapaden waren zu erwarten. Kruse kann es sich leisten, da er einer der stärksten Spieler der USA ist Bundesliga ist. Das kann er in Berlin langsam zeigen – auch wenn er mehr Zeit braucht, um sich im System von Trainer Urs Fischer zurechtzufinden.
Schlagzeilen neben dem Platz
Wer Kruse unterschreibt, weiß, wen er bekommt. In Mönchengladbach hat er Kaufte einen Maserati als junger Profi – in Tarnfarben. Der VfL Wolfsburg grunzte ihn mit einer fünfstelligen Geldstrafe, nachdem er nachts in Berlin Poker gespielt hatte – und angeblich 75.000 Euro in einem Taxi vergessen. Kruse hat einmal um vier Uhr morgens in Hamburg sein Auto kaputt gemacht. Fünf Stunden später war er auf dem Trainingsgelände in Bremen.
Die letzte Anekdote beschreibt vielleicht am besten die professionelle Kruse. Außerhalb des Feldes geht er gerne über Bord: Wenn es um seinen Job geht, ist er hochprofessionell. Kruse verpasst nie ein Training, anders als in jungen Jahren isst er gesund. Freunde aus seiner Umgebung bestätigen, dass er in seinem Leben noch nicht einmal Alkohol probiert hat.
Sie haben bereits die beiden Gesichter von Max Kruse in Berlin getroffen. Ein durchschnittlicher Kicker würde kaum einen Club davonkommen lassen, während einer Pandemie völlig Fremde in eine Shisha-Bar auf Instagram einzuladen. Trainer Fischer stellte ihn trotzdem ein paar Tage später auf. Der Schweizer Trainer hat den sportlichen Wert von Kruse seit langem erkannt.
Die „schwebenden neuneinhalb“
Kruse ist auf dem Spielfeld genauso unberechenbar wie außerhalb des Spielfelds. Als Teenager spielte er lange Zeit Fußball in Amateurclubs, besuchte aber kein Jugendleistungszentrum. Kruse verhält sich nicht wie etwas aus einem Lehrbuch: Er bricht immer wieder aus dem klassischen Schema aus, bewegt sich viel auf dem Platz und nimmt sich Freiheiten. Er kann daher nicht als „klassischer Stürmer“ bezeichnet werden, ist aber auch kein echter Spielmacher. Er taufte sich einmal „neuneinhalb schwimmen“. Das heißt: es ist hier und da immer und überall zu finden.
Kruse hat sich bei Union Berlin noch nicht so viel Freiheit gegönnt, zumindest nicht auf dem Platz. Er sucht immer noch nach seiner Rolle im System von Trainer Fischer. Bisher wurde er hauptsächlich als zweiter Stürmer eingesetzt. Während sein Sturmkollege die Spitze erreicht, lässt sich Kruse fallen.
Während seiner ersten Missionen für Union hielt sich Kruse zurück. Jetzt sieht man in der Alten Försterei immer häufiger die typischen Kruse-Aktionen: Wie er sich dem Teamkollegen am Ball nähert, um einen gegnerischen Verteidiger aus der Abwehr zu ziehen. Wie er nach links ausweicht und einen halbhohen Lupfer hinter der Abwehr spielt. Wie er auf den Ball schaut und sich plötzlich umdreht, um hinter die Abwehr zu sprinten.
Auf der Suche nach der richtigen Rolle
In Bremen drehte sich alles um diese Kruse-Momente. Werders Trainer Florian Kohfeldt hatte sein gesamtes Team so gebastelt, dass seine Teamkollegen Kruse optimal unterstützen. In Berlin dauert es natürlich noch einige Zeit, bis diese Zusammenarbeit erfolgreich sein wird. Kruse ist noch nicht so präsent. In Bremen war er oft der Spieler mit den meisten Ballkontakten; In Berlin sind es immer noch weniger als 50 Ballberührungen pro Spiel, die Verteidiger und sechs Robert Andrich sind viel häufiger am Ball. Kruse überlässt den Aufbau des Spiels seinen Kollegen.
Die Union profitiert derzeit am meisten von Kruses Präsenz in schnellen Schritten. Zum Beispiel, wenn Sechser Andrich einen Angriff einleitet und schneller wird, während Kruse mit seinen Ausweichbewegungen Gegner auf sich zieht. Je schneller Ihr eigenes Spiel ist, desto wohler fühlen sich die Berliner.
In diesen Momenten ist Kruse der Spieler, der den entscheidenden Pass spielt. Der Pass in die Schnittstelle der Verteidigung ist wahrscheinlich seine größte Stärke. Es ist kein Zufall, dass Trainer Fischer ihn normalerweise neben Joel Pohjanpalo einsetzt. Der schnelle Finne lauert lieber am Abseitsrand, er sprintet nach jedem Ball nach unten. Kruse gibt ihm diese Bälle.
Die Erwartungen sind hoch
Fischer ist immer noch nicht hundertprozentig zufrieden mit seinem neuen Stürmer. Gegen Hoffenheim er verbesserte seinen Stern immer wieder: „Push out, Max!“, „Weiter nach rechts!“ – Fischer erwartet von Kruse ein optimales Positionsspiel auch gegen den Ball.
Vor allem aber das Verhalten am Platz stört die Berliner. So unangepasst der Verein aus der ehemaligen DDR auch sein mag: Im ruhigen Berlin-Köpenick sind die Menschen tatsächlich daran gewöhnt, dass andere Schlagzeilen machen. Sie können Kruses Extravaganz nur akzeptieren, wenn er weiterhin so viele Tore vorbereitet wie kürzlich.