Die Menschheit kennt 5600 Mineralien. Dies steht in den Listen der International Mineralogical Society. Wir sind sogar direkt für die Erstellung von rund 200 von ihnen verantwortlich. zB durch Bergbau und industrielle Aktivitäten. Ein europäisches Forschungsteam unter der Leitung von Jörg Fritz, Gastwissenschaftler am Zentrum für Rieskrater- und Wirkungsforschung in Nördlingen, hat jetzt eine völlig unbekannte Verbindung in der Zeitschrift „American Mineralogist“ beschrieben.
Das Besondere daran: Das Mineral – bestehend aus Kalzium-, Aluminium-, Silizium- und Sauerstoffatomen – wurde in Mondgesteinen gefunden. Es heißt Donwilhelmsit zu Ehren des US-amerikanischen Mondforschers Don E. Wilhelms. Der inzwischen 90-jährige Geologe war Teil des Wissenschaftsteams der „Apollo“ -Missionen. „Wir wollten das Mineral nach jemandem benennen, der noch lebt und sich darüber freuen kann“, sagt der Entdecker Fritz in einem Interview mit SPIEGEL.
Die Substanz stammt jedoch nicht aus dem Material, das Astronauten zu dieser Zeit verwendeten Mund gesammelt haben. Es war ungefähr 400 Gramm schwer Meteoriten Oued Awilits 001 bewiesen. Dieser Stein wurde einst durch einen Aufprall vom Erdsatelliten weggeworfen und landete hier auf der Erde nach einer Reise durch das Sonnensystem.
Insgesamt kennt die Forschung rund 360 Mondmeteoriten, die ersten bekannten Exemplare wurden vor rund 40 Jahren hergestellt Antarktis entdeckt. Sie sind nicht zuletzt deshalb für die Wissenschaft von Interesse, weil bei früheren Mondmissionen nur Proben auf einem Bruchteil der Mondoberfläche gesammelt wurden. Das Gestein der Meteoriten kann nicht genau einem Ursprungsort auf dem Mond zugeordnet werden, deckt aber sicherlich auch Gebiete ab, aus denen es keine anderen Proben gibt.
Das aktuell untersuchte Exemplar wurde im Januar 2014 während einer Expedition in die USA gefunden Westsahara entdeckt. Ein Teil davon wurde verwendet eine Crowdfunding-Kampagne gekauft für das Naturhistorische Museum Wien und wird dort ausgestellt. Das Museum hat jedoch gerade wegen der Koronapandemie geschlossen.
Der Aufprall auf den Mond schickte nicht nur den Meteoriten auf den Weg zu uns. Er sorgte auch dafür, dass sich das Mineral darin bildete – weil das Gestein kurzzeitig dem 240.000-fachen Druck auf der Erdoberfläche ausgesetzt war. Dadurch entstanden im Material sogenannte Schmelzschockzonen. Während der Untersuchung mit dem Mikroskop fand Fritz winzige Nadeln in einem solchen Bereich des Gesteins, was sich nach spektroskopischer Analyse als äußerst interessant herausstellte. Kollegen, unter anderem im Museum für Naturkunde Berlin und im Deutschen Forschungszentrum für Geowissenschaften in Potsdam, haben dann bewiesen, dass es sich tatsächlich um ein eigenständiges Mineral handelt. Die International Mineralogical Society hat den Donwilhelmsite bereits im vergangenen Jahr anerkannt als Neuheit auf, aber jetzt liefert das Team die genaue wissenschaftliche Beschreibung.
Mineral kommt auch tief im Erdmantel vor
Besonders interessant: Die Bedingungen, unter denen sich das Mineral auf dem Mond bilden konnte – extrem hohe Drücke und Temperaturen – entsprechen denen in einer Tiefe von 400 Kilometern im Erdinneren. Weil es dort auch Donwilhelmsit gibt, aber noch niemand es gesehen hat: Das Mineral wird auf der Erde aus Überresten der kontinentalen Kruste gebildet. Diese landen zunächst als Sedimente auf dem Meeresboden. Später zieht die Plattentektonik sie zusammen mit der ozeanischen Kruste tief in den Erdmantel. Dort verändert sich das Gestein mit zunehmendem Druck und steigender Temperatur – und es entstehen Mineralien wie Donwilhelmsit.
Im Allgemeinen – im Erdmantel gibt es zahlreiche Mineralien wie Wadsleyit, Ringwoodit und Bridgmanit, die sich nur unter extremen Bedingungen bilden. Forscher können die Verbindungen jedoch nur in winzigen Mengen in Hochdruckexperimenten herstellen – oder in Meteoriten suchen, wie es Fritz und Kollegen getan haben. Mondbrocken sind wegen der Komplexität des Felsens besonders interessant.
„Ein überwältigendes Gefühl“
Ansgar Greshake, wissenschaftlicher Leiter der Meteoritensammlung im Museum für Naturkunde Berlin, ist einer der Mitautoren der aktuellen Arbeit. Er sagt: „Ich arbeite seit 25 Jahren jeden Tag an Meteoriten, aber plötzlich ist es ein überwältigendes Gefühl, als Erster ein neues Mineral aus dem Weltraum zu entdecken und es dann zu erkunden.“
Studienleiter Fritz freut sich besonders, über vier Jahre mit Kollegen aus ganz Europa für die Veröffentlichung zusammengearbeitet zu haben. In seiner Hauptaufgabe ist er der Leiter eines Kunsthauskinos in Heppenheim, Hessen. Es ist seit 100 Jahren in der Familie, erklärt er. Nach seiner früheren Tätigkeit als Vollzeitwissenschaftler, unter anderem am Museum für Naturkunde Berlin, entschloss er sich, das Kino zu übernehmen – ohne seine Leidenschaft für Meteoriten aufzugeben: „Wir sind das Arthouse-Kino mit den meisten Artikeln in der Planetenforschung „scherzt Fritz.
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