BenQ-Mitarbeiter protestieren vor Siemens-Zentrale in München

Siemens Mobile: Aufstieg und Fall des Handy-Riesen

Es ist 2004 – ich bin 14 Jahre alt. Die Osterweiterung der EU sollte in diesem Jahr zehn neue Mitgliedstaaten schaffen. Aber danach war mir eines am wichtigsten: Ich musste mein erstes Handy auswählen – es war ein Siemens C60.

Siemens hat viele Millennials trainiert

Es war mein treuer Begleiter, und er hat viele Stürze. Ich habe sogar meine Eltern dazu gebracht, mir die VGA-Clipkamera zu kaufen – ja, sie war damals wirklich da. Ich kann mich immer noch über die Fotos wundern, die ich mit ihnen auf Lanzarote in all ihrer Pixelpracht gemacht habe. Siemens war damals imNeben Nokia mit meinen Freunden und Kollegen am meisten.

Umso mehr überraschte mich, als Siemens 2005 wegen der roten Zahlen den Geschäftsbereich GSM verkaufen musste. Wie ist eines der größten deutschen Technologieunternehmen mit seiner eigentlich innovativen Mobilkommunikationssparte so völlig gescheitert? Ein Rückblick auf den Aufstieg und Fall von Siemens Mobile Ende der neunziger Jahre.

Der Siemens S55 mit seinem 256-Farben-Display war ein Bestseller | Foto: Getty Images

Siemens Mobile war einst ein Pionier

Das erste Siemens-Mobiltelefon, das C1 von 1985, sollte eine Reihe von Innovationen und „Neuheiten“ in der Mobilfunkbranche einleiten. Das 1997 S10 war das erste Mobiltelefon mit einem Farbdisplay, das Rot, Grün, Blau und Weiß anzeigen konnte. Im selben Jahr wurde das erste Outdoor-Handy, das S10 Active, auf den Markt gebracht. Nur zwei Jahre später lieferte Siemens die folgende Innovation: Das SL10 war das erste mobile Slider-Handy auf dem Markt. In den frühen 2000er Jahren war Siemens noch technologisch führend. Das SL45 aus dem Jahr 2000 war eines der ersten Mobiltelefone mit integriertem MP3-Player und Steckplatz für MMC-Speicherkarten. 2003 folgte Siemens dem Vorbild von Nokia und Sony Ericsson und brachte seine SX1 mit Symbian OS auf den Markt – einem frühen Vorgänger des Smartphones. 2005 setzte das Unternehmen mit dem SXG75, dem ersten Mobiltelefon mit integriertem GPS, Maßstäbe.

Siemens SX-1 auf Cebit

Das Siemens SX-1 mit seinem riesigen Bildschirm war ein Vorläufer der heutigen Smartphones | Foto: Getty Images

Auf dem Höhepunkt des Energiemarktes im Jahr 2003 war Siemens Mobile sogar auf den Trikots der Real Madrid-Ikonen Ronaldo, Zidane, Beckham und Figo vertreten. Die Zusammenarbeit dauerte bis 2005, danach war nur noch Siemens auf den Trikots.

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Zu diesem Zeitpunkt befand sich der weltweite Marktanteil von Siemens Mobile jedoch bereits im freien Fall. Während das Unternehmen 2003 mit seinen Geräten noch 8,4 Prozent des Marktes erobern konnte und nur hinter Nokia, Motorola und Samsung lag, ging der Anteil 2004 auf 7,2 Prozent zurück. Im Jahr 2005 waren dies nur 3,5 Prozent (Quelle: Statista) erreichte ein neues Tief und Siemens schrieb mit seiner Mobilsparte rote Zahlen. Es wird behauptet, dass Siemens mit Siemens Mobile täglich eine Million Euro verloren hat, wie z Geschäftsleiter berichtet. Also musste eine Lösung gefunden werden. Mitte 2005 wurden die Namensrechte für Siemens-Mobiltelefone daher für fünf Jahre auf das taiwanesische BenQ übertragen, einschließlich Produktion und Mitarbeiter. Die Übertragung kostete Siemens 350 Millionen Euro plus 50 Millionen Aktien von BenQ. BenQ versprach, die Mitarbeiter und die Produktion in Deutschland zu halten. Ende 2006, knapp anderthalb Jahre nach der Akquisition, verzeichnete BenQ Mobile einen Verlust von 600 Millionen Euro – und meldete Insolvenz an. Ein tragisches Ende für den Namen Siemens in der Welt der Mobiltelefone.

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Was hat das Unternehmen falsch gemacht?

Trotz Innovationen konnte sich Siemens nicht auf dem Weltmarkt etablieren. Das Unternehmen hat viel Geld in Forschung und Entwicklung investiert, war jedoch häufig mit seiner Vertriebsstrategie ungeschickt. Das beste Beispiel: Siemens brachte 2003 eine komplett neu entwickelte Serie von Designtelefonen auf den Markt, deren Konzept nicht funktionierte. Die Xelibri-Handys würden ausschließlich in Modegeschäften verkauft. Die Modelle hatten eingebaute Kosmetikspiegel, Kragen und Geldbörsenclips. Was absurd klingt, ist schief gelaufen, der Xelibris ist furchtbar gefloppt.

Siemens Xelibri vier Modelle

Die Xelibris waren sicherlich etwas Besonderes – aber sie wurden von den Käufern nicht gut aufgenommen Foto: Getty Images

Probleme mit dem Betriebssystem

Es war jedoch hauptsächlich die fehlerhafte Software, die zum Rückgang beitrug, wie die Siemens-Version des berüchtigten „Elchtests“. Der Siemens S65 kann unter Umständen durch fehlerhafte Software Gehörschäden verursachen, warnte das Unternehmen kurz nach seiner Einführung. Siemens hat in der Zeitung eine Anzeige mit der Aufschrift „Oooooops, das war unser Elchtest“ geschaltet Fokus berichtet. Der Fehler im System wurde vom Hersteller behoben, sollte aber nicht der letzte sein. Um die Kosten zu senken, wurde das Entwicklungsteam von Siemens Mobile stark reduziert Bericht von russischer Seite „Mobile Review“ kommt heraus. Das Team konnte bereits freigegebene Geräte nicht weiter unterstützen und keine Software für neue entwickeln. Infolgedessen wurden einige Entwicklungsverknüpfungen erstellt. Das Ergebnis: schlecht entwickelte und halbherzige Betriebssysteme, die den zuvor guten Ruf des Herstellers untergraben.

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Die Probleme in der Mobilsparte waren laut Geschäftsleiter die ineffiziente Produktion und inkonsistente Softwareplattformen und damit verzögerte Markteinführungen. Teure und zeitaufwändige Bemühungen zur Standardisierung von Linux-basierter Software scheiterten – alte Probleme, die BenQ von Siemens übernahm. Das Flaggschiff EF81 von BenQ-Siemens wies so schwerwiegende Softwarefehler auf, dass es von der Telekom aus dem Portfolio entfernt wurde. Die Handys waren jetzt im Laden, höchstens als Prepaid-Gerät, die Telefone hingen immer noch über der Theke. Niemand wollte die jetzt veraltete Hardware und Buggy-Software kaufen.

Die Situation war so prekär, dass Siemens-Chef Klaus Kleinfeld BenQ die Mobilsparte praktisch übergab – und sogar beendete. Neben Marken-, Urheber- und Patentrechten hat Siemens dreistellige Millionen an BenQ, seine Werke in Deutschland und Brasilien, übergeben und BenQ-Aktien im zweistelligen Millionenbereich gekauft.

Auch BenQ Mobile konnte keine neuen Impulse geben

BenQ hoffte, dass die Akquisition von Siemens Mobile ein weltweiter Durchbruch in der Mobiltelefonie sein würde. Der Spiegel berichtete damals, dass BenQ 50 Millionen Einheiten pro Jahr verkaufen und die viertgrößte Mobiltelefonmarke werden wollte. Das Zusammenwachsen mit BenQ erwies sich als kompliziert. Der Bericht der russischen Website „Mobile Review“ zeigt, dass das taiwanesische Unternehmen wahrscheinlich nicht ganz klar über die Altlasten war, die es von Siemens übernahm. So waren alle alten Manager, die für den Crash der Marke verantwortlich waren, noch aktiv. Die Strategie der Mobilsparte wurde also nicht geändert – eine Fusion zweier Modellreihen wurde später sogar rückgängig gemacht.

Nachdem BenQ Mobile von seiner Muttergesellschaft BenQ gekündigt worden war, musste das Unternehmen im September 2006 Insolvenz anmelden. Der ehemalige Pionier wurde schrittweise im Insolvenzverfahren aufgelöst. Das verbleibende Vermögen konnte nicht annähernd die Schulden mit Gläubigern decken. Am Ende ging es laut Süddeutsche Zeitung Der Verlust von Siemens Mobile hat zum Verlust von 3000 Arbeitsplätzen in Deutschland geführt. Immerhin erholte sich das größte Opfer der Insolvenz von Siemens Mobile – die Mitarbeiter. Nach mehreren Rechtsstreitigkeiten entschied das Bundesarbeitsgericht 2009, dass Siemens die Mitarbeiter der Mobilsparte nicht ausreichend über den Verkauf an BenQ informiert hatte. Siemens musste daher weiterhin einige von ihnen einstellen – nur nicht mehr bei Siemens Mobile.

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