Grundvariable: Die Physiker haben den bislang genauesten Wert für die Feinstrukturkonstante ermittelt – die Konstante, die die grundlegende Wechselwirkung von Licht mit geladenen Teilchen beschreibt. Der neue Wert ist fast dreimal genauer als frühere Messungen und bestätigt unter anderem, dass das Elektron tatsächlich ein unteilbares Elementarteilchen ist. Darüber hinaus wird das Kandidatenfeld für Partikel der Dunklen Materie weiter eingegrenzt, wie die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten.
Es ist eine der Grundgrößen der Natur: Die Feinstrukturkonstante α beschreibt die Stärke der elektromagnetische Wechselwirkung und damit unter anderem, wie stark Licht mit geladenen Elementarteilchen wie Elektronen oder Myonen interagiert. Denn diese Konstante führt auch zu vielen anderen Grundgrößen und quantenphysikalische Wechselwirkungen wird als entscheidende Grundlage für unser physikalisches Standardmodell angesehen. Es ist daher wichtig, sie so genau wie möglich zu kennen.
Ultrakalte Rubidiumatome unter Laserbeschuss
Forscher, die mit Leo Morel von der Sorbonne-Universität in Paris zusammenarbeiten, haben nun den bisher genauesten Wert für die Feinstrukturkonstante ermittelt. Dazu nutzten sie die Tatsache, dass Atome ihren Energiezustand ändern, wenn sie Photonen absorbieren und eine Art Rückstoß erfahren. Die Geschwindigkeit des Rückstoßes zeigt die Masse des Atoms. In Kombination mit der bekannten Masse des Elektrons und der Bindungsenergie des Elektrons im Wasserstoffatom kann dann die Feinstrukturkonstante berechnet werden.
Insbesondere verwendeten die Forscher für ihr Experiment ultrakalte Rubidiumatome, die mit Hilfe von Magnetfeldern und Laserpulsen in einer Vakuumröhre angehoben werden und dann durch einen Messabschnitt fallen. Hier nehmen die Atome Photonen auf und verändern durch ihren Rückstoß subtil die Phasen mehrerer Messlaser. Daraus ermittelten Morel und sein Team die Rückstoßgeschwindigkeit und verwendeten diese als Grundlage für die Berechnung der Feinstrukturkonstante als Kehrwert 1 / α.
Elektron als echtes Elementarteilchen bestätigt
Das Ergebnis ist der bisher genaueste Wert für die Feinstrukturkonstante. Ihr Kehrwert ist daher α-1 = 137,035999206 (11). Die Zahl in Klammern gibt den Unsicherheitsfaktor an. Laut den Forschern ist dies 8,1 x 10-11 oder 81 Milliardstel. Dies ist laut Morel und seinem Team fast dreimal genauer als bei früheren Messungen. Mit diesem Wert können auch andere Konstanten und grundlegende Vorhersagen des Standardmodells überprüft werden.
„Diese Ergebnisse bestätigen beispielsweise, dass das Elektron keine Substruktur aufweist und ein echtes Elementarteilchen ist“, erklärt der Physiker Holger Müller von der University of California in Berkeley, Berkeley, der nicht an der Studie beteiligt war, in einem begleitenden Kommentar. „Wenn das Elektron aus kleineren Einheiten bestehen würde, hätte es ein anderes magnetisches Moment.“ Letzteres kann aus der Feinstrukturkonstante abgeleitet werden.
Einblicke in Kandidaten für dunkle Materie
Die aktuelle Messung zeigt aber auch viel über die „dunkle Seite“ des Kosmos. Weil der genauere Wert der Feinstrukturkonstante die möglichen Eigenschaften von Partikeln dunkler Materie weiter einschränkt. Dazu gehören Kandidaten wie die „Dunkle Bosonen„- hypothetische Kraftpartikel, die einige Forscher aufgrund von Anomalien bei Quantensprüngen von Ytterbium oder Beryllium postuliert haben.
Die aktuellen Werte, kombiniert mit früheren Messungen, schließen jedoch die Existenz dieser Partikelkandidaten fast vollständig aus, wie Morel und sein Team berichten. Denn diese dunklen Bosonen müssten das magnetische Moment des Elektrons auf subtile, aber messbare Weise beeinflussen. Die aktuell ermittelte Feinstrukturkonstante liefert jedoch keinen Hinweis auf einen solchen Einfluss.
Rätselhafte Diskrepanz zu früheren Messungen
Die neue Messung wirft jedoch eine Frage auf: Der neue Wert für die Feinstrukturkonstante ist der bisher genaueste, weicht jedoch gleichzeitig um mehr als fünf Standardabweichungen von den beiden vorherigen Messwerten ab. Dazu gehören eine von Morel und seinen Kollegen selbst durchgeführte Messung sowie ein mittels Atominterferometrie von Cäsiumatomen von Müller und seinem Team in Berkeley ermittelter Wert.
„Die Experimentatoren bereiten sich jetzt darauf vor, den Ursprung dieser Diskrepanzen zu klären – und das Standardmodell erneut zu testen“, sagt Müller. (Natur, 2020; doi: 10.1038 / s41586-020-2964-7)
Quelle: Natur, CNRS
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