Anfangs war es eine Art Aprilscherz: Turnschuhe mit dem Lidl-Logo. Nicht für den Handel gedacht, nur für einen Wettbewerb; Es wurden 400 Paare hergestellt. Viel zu wenig Hinweise auf die Reaktionen in den sozialen Medien. Also trat der Discounter ein und verkaufte den Schuh im Sommer für knapp 20 Euro. Die Nachfrage war wieder hoch und es gab fast sofort Angebote bei Ebay. Ein Verkäufer hätte damit 1255 Euro gesammelt. Das kann nicht genau überprüft werden. Sicher ist, dass das Unternehmen jetzt eine eigene komplette Lidl-Kollektion anbietet.
Neben Turnschuhen wird es in Kürze auch Hausschuhe, Leggings, T-Shirts, Tennissocken und Kepis geben. Alles mit Ihrem eigenen Logo und in den Firmenfarben. „Lidl treibt die Logomania voran“, sagt der Firmensitz in Neckarsulm.
Experten nennen es „Rinnsal“, wenn Landebahn-Trends wie die mit den übermarkierten im Alltag der Menschen auftauchen und zu ihnen „rinnen“. Lidl kommt zu spät, der Logo-Hype ist tatsächlich vorbei, aber auch nicht zu spät, wie der Lauf auf der ersten Charge zeigt.
Dialog für Insider
Carl Tillessen, Chefanalyst am Deutschen Modeinstitut, sieht in der Kollektion etwas anderes: „Die Lidl-Sneaker sind auf jeden Fall eine Reaktion auf die Provokationen von Demna Gvasalia, die in den letzten Saisons Luxusprodukte in den Farben und Formen von Discountern verkauft hat. Aldi und Ikea haben entworfen. „Es ist praktisch ein Dialog zwischen zwei Welten: Einerseits der berühmte Designer, der Alltagsgegenstände zu Luxusgütern erhebt und damit für Aufsehen sorgt. Auf der anderen Seite gibt es den Discounter, der mit seinem Zitat beweist, dass er weiß, was drin ist.
Die Käufer präsentieren sich wiederum als diejenigen, die es wissen. Sie können die Codes lesen; erkennen, wer wen zitiert. „Nur so kann man es cool machen“, sagt Tillessen. Bei Mode geht es schließlich immer um Status. Nicht nur über Material, sondern auch über den intellektuellen Status – der französische Sozialphilosoph Pierre Bourdieu nannte es „Kulturhauptstadt“ – oder „Anti-Status-Status“.
Mit anderen Worten, was ein Modedesigner wie Gvasalia ausdrücken möchte, wenn er eine 50-Cent-Ikea-Tasche für eine Ledertasche für etwa 2.000 Euro modelliert oder DHL-Shirts kopiert.
Die georgische Gvasalia ist ein Meister davon, aber nicht der Urheber dieser Idee. Es ist bereits in den intellektuellen Avantgarde-Entwürfen von Martin Margiela zu finden. Der Belgier stellte sich auf seine Weise heraus, die größtenteils verborgen war. Er verwendete Futter, Schulterpolster oder Einlegesohlen als Gestaltungselemente und gleichzeitig als Bauhilfe. Er verzichtete auf seinen Namen auf den Etiketten und verwendete wieder Stoffe und Materialien – lange bevor alle über Nachhaltigkeit sprachen.
Lidl hingegen ist nicht das erste Unternehmen, das den Ball gekonnt aus der Modewelt zurückholt und sich damit einen Namen macht. 2017 reagierte Ikea auf die Luxuskopie ihrer „Frakta“ -Tasche nicht nur mit Werbung für eigene Rechnung.
Die Schweden nutzten die Gelegenheit für neue Produkte aus dem legendären blauen Kunststoff. Beispielsweise ein Fischerhut, bis vor kurzem auch sehr modisch. Offensichtlich in „Limited Edition“ und – wenn man das Materialpreisverhältnis berücksichtigt – deutlich teurer.
Andere Modemarken sprangen ebenfalls auf den Wagen:
Lidl will nicht weiter antworten. Die Nachrichtenagentur verweist auf die offizielle Pressemappe. Es ist ziemlich dünn und enthält neben einer Liste der Kollektion auch den Kommentar: „Das aktuelle Beispiel des Lidl-Sneakers, der derzeit auf bekannten Verkaufsportalen zu Spitzenpreisen angeboten wird, zeigt, dass die Lagerbestände schnell zur Neige gehen können.“
Ältester Marketingtrick der Welt
Der Erfolg der Produkte ist auch darauf zurückzuführen, dass Lidl in Bezug auf künstliche Knappheit klug ist. „Der älteste Marketingtrick der Welt“, sagt Martin Fassnacht von der WHU Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf. Luxusunternehmen wie Rolex und Hermès sind damit seit Jahrzehnten erfolgreich.
Modemann Tillessen schreibt darüber in seinem Buch „Konsum“: „Da nichts seltener ist, hat nichts mehr einen Seltenheitswert. Um das Jagdfieber wieder zu spüren und echte Sehnsucht zu verspüren, muss ein Defizit künstlich geschaffen werden.“
Der Marketingexperte Fassnacht liebt die Idee nicht nur wegen der Art der Kampagne – auf der Lidl-Website zählt ein Countdown die Tage bis zum Verkaufsstart. Das Anbringen des Supermarktlogos auf der Kleidung ist ein „starker und mutiger Schritt“. Bisher sah der Deal so aus: Ein mehr oder weniger berühmter Designer wird eingestellt, in der Hoffnung, dass ein Teil des Glamours der Modewelt nachlässt.
Mit dieser horizontalen Markenerweiterung (und der daraus resultierenden Berichterstattung) bringt sich Lidl zurück zu den Menschen. Auf diese Weise erreicht das Unternehmen idealerweise neue Zielgruppen. Deshalb bucht Fassnacht die Kollektion auch als Werbung, obwohl die Margen im Textilgeschäft deutlich lukrativer sind als bei Lebensmitteln.
Wer letztendlich damit Geld verdient, Ebay-Reseller oder Lidl, der Slogan des Discounters sollte in mindestens einem Sinne zutreffen: Es lohnt sich.