Als die Sommerolympiade in Tokio beginnt, müssen wir uns vor 90 Jahren erinnern, als die von der internationalen Arbeiterbewegung geförderte alternative Sportkultur einen ihrer historischen Höhepunkte erreichte. Vom 19. bis 26. Juli 1931 organisierte die Socialist Workers‘ Sports International (SASI) die zweite Arbeiterolympiade in Wien „rot“ – eine Stadt, die damals eine der größten Bastionen der sozialistischen Bewegung war.
Tausende Sportler aus achtzehn Ländern versammelten sich in der österreichischen Hauptstadt, um an Wettkämpfen und Demonstrationen in Disziplinen wie Leichtathletik, Fußball, Militärsport und sogar Schach teilzunehmen. Massengymnastikübungen, Paraden und andere Veranstaltungen brachten insgesamt etwa 80.000 Teilnehmer zusammen. Mit dem Vierten Kongress der Arbeiter- und Sozialistischen Internationale, der vom 25. Juli bis 1. August in der Stadt stattfand, war die Zweite Arbeiterolympiade ein Höhepunkt der Selbstdarstellung des Roten Wien als internationale Hauptstadt der Arbeiterbewegung.
Die Arbeiterolympiade in Wien war die größte der drei von SASI organisierten Olympiaden. Die erste fand 1925 in Frankfurt (Deutschland) und die dritte 1937 in Antwerpen (Belgien) statt. Die letztgenannte Veranstaltung wurde von den schrecklichen Ereignissen überschattet, die sich am Horizont abzeichneten: die einst bedeutenden Arbeitersportverbände Deutschlands und Österreichs Zentren der Bewegung, waren bereits von den jeweiligen faschistischen Regimen in diesen Ländern verboten worden. Kurz darauf brach der Zweite Weltkrieg aus und die SASI wurde aufgelöst.
Die Arbeiterolympiade kombinierte Elemente des kollektiven Sports und der öffentlichen Feierlichkeiten. Zu den Veranstaltungen in Wien gehörte unter anderem ein Massenfest mit viertausend Sportlern im berühmten Praterstadion der Stadt, das die Heldengeschichte des internationalen Proletariats erzählt. Der kurz vor den Spielen fertiggestellte modernistische Austragungsort ist zu einem Pioniermodell für andere im Bau befindliche Stadien auf dem Kontinent geworden. Seit seiner Umbenennung in Ernst-Happel-Stadion dient es bis heute als österreichisches Nationalstadion.
Die Arbeitersportbewegung stellte ein erzieherisches Gegenmodell zum bürgerlich und kapitalistisch organisierten Sport dar – sowohl zu den vom Internationalen Olympischen Komitee organisierten Spielen als auch zu professionellen Sportligen wie dem Fußball. In dieser Vision sollten die dem Leben der Arbeiterklasse durch die schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen auferlegten Schäden und Einschränkungen durch individuelle körperliche Entwicklung und die kollektive Bildung einer selbstbewussten Klassenidentität abgewendet werden. Heute zeugen diese Bilder von der Welt, die die ersten Sozialisten für sich selbst und für die kommenden proletarischen Generationen aufgebaut haben.
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