»Cyberpunk 2077«: Wie Epilepsie Videospiele beeinflusst

»Cyberpunk 2077«: Wie Epilepsie Videospiele beeinflusst

Ein Helm wird auf die Spielfigur gesetzt, kleine Lampen gleiten an den Seiten in das Bild und beginnen weiß und rot zu blinken. Im Videospiel »Cyberpunk 2077« soll beispielsweise das Eintauchen in eine Art Trancezustand eingeleitet werden.

Für viele Spieler erhöht diese Sequenz aus der Perspektive der ersten Person das Eintauchen und inspiriert so die Idee, tatsächlich Teil dieser virtuellen Welt zu sein. Für andere Spieler kann dieselbe Sequenz jedoch sogar gefährlich sein. Sie könnten einen epileptischen Anfall haben und in Sekundenschnelle ohnmächtig werden.

Die meisten modernen Videospiele haben Epilepsiewarnungen im Vorspann: Sie warnen die Spieler, dass sie mit sich schnell ändernden Farben oder Kontrasten konfrontiert werden, die einen Anfall auslösen können. Aber ist ein kleiner spezifischer Hinweis genug? Oder müssen Spielehersteller mehr tun?

Diese Frage wird im Rahmen scheinbar besonders starker Epilepsie-induzierender Szenen diskutiert, die im Rollenspiel »Cyberpunk 2077« erscheinen, das am Donnerstag veröffentlicht wurde (Lesen Sie hier unsere ausführliche Rezension). Der Auslöser ist ein aktueller Artikel im Portal »Gameinformer«. Liana Ruppert, selbst von Epilepsie betroffen, beschreibt, wie »Cyberpunk 2077« einen Anfall in ihr auslöste.

Achtung, „Braindance“

Die beschriebene Sequenz wird gestartet, wenn Spieler eine sogenannte Braindance eingeben möchten. Es ist eine Art lebendiger Film, mit dem man den Anblick, die Gefühle und das Hören einer Person nacherleben kann. Dazu setzt der Charakter ein Headset auf. Die Entwickler scheinen dies zu tun eine Prozedur Modelliert haben, mit denen Epilepsiepatienten in Diagnostik und Forschung bewusst ausgelöst werden.

Anscheinend wurde nicht über die möglichen Auswirkungen der Spieleszene auf Menschen mit Epilepsie nachgedacht. Zumindest CD Projekt Red, das Studio hinter »Cyberpunk 2077«, hat das Problem inzwischen kommentiert und behauptet, es arbeite an einer Lösung. Ein erster Schritt ist nun die übliche Erwähnung des Themas im Vorspann.

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Wo die Gefahr lauert

Martin Holtkamp, ​​Oberarzt der Klinik für Neurologie der Charité in Berlin, kennt die Gefahren epileptischer Anfälle, die die meisten Betroffenen wahrscheinlich in Form von sogenannten tonisch-klonischen Anfällen kennen. „Generalisierte tonisch-klonische Anfälle betreffen das gesamte Gehirn und treten häufig ohne Vorboten auf“, sagt er. Zuerst wird der Körper steif, dann zucken die Extremitäten. Ein Angriff dauert normalerweise 60 bis 90 Sekunden, in denen die betroffene Person bewusstlos ist. „Es kann vorkommen, dass Sie sich bei einem Angriff auf die Zunge beißen, fallen und sich am Kopf verletzen“, sagt Holtkamp. Die Betroffenen wachen erst nach 15 bis 30 Minuten auf und einige sind danach viele Stunden lang verletzt.

Es ist vor allem das flackernde Licht in Videospielen, das zu Anfällen führen kann, sagt Holtkamp: „Es ist nicht so, dass Menschen an Epilepsie leiden, es hat andere Ursachen. Bei einer bekannten Epilepsie können Anfälle jedoch durch Videospiele ausgelöst werden. „“

Etwa 0,7 Prozent der Deutschen leiden an Epilepsie. Allerdings leiden nur drei Prozent von ihnen auch unter Lichtempfindlichkeit, was bedeutet, dass Lichtreize oder schnelle Kontraständerungen Anfälle auslösen können. „Die meisten dieser Menschen wissen, dass sie an lichtempfindlicher Epilepsie leiden“, sagt Holtkamp. „Dies manifestiert sich hauptsächlich im zweiten Lebensjahrzehnt.“

Flackerndes Licht kann für viele Menschen ohne Epilepsie unangenehm sein, so Holtkamp: „Es ist auch nicht schädlich, nur irritierend.“ Der leitende Arzt empfiehlt seinen Patienten mit Lichtempfindlichkeit, bestimmte Videospiele lieber zu vermeiden oder sie zumindest nicht zu ermüden.

Betroffene sprechen online miteinander

In Foren wie auf Reddit, tauschen derzeit Ideen mit Spielern mit Epilepsie aus, die sich tatsächlich auf »Cyberpunk 2077« freuten. „Das letzte Mal, dass ich einen Anfall hatte, war 2014 während des Spiels ‚Final Fantasy 14‘, nach dem ich sechs Monate lang kein Auto fahren konnte“, schreibt ein Benutzer. Ein anderer schlägt Entwicklern vor, Optionen speziell für Spieler mit Epilepsie hinzuzufügen: einen Spielmodus, der beispielsweise bestimmte Reize für das Auge verhindert, einschließlich der flackernden Lichter.

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Aber auch diese Ansätze lösen das Problem nicht vollständig: Menschen mit Epilepsie können auf verschiedene Weise ausgelöst werden. Zum Beispiel, wenn sie zu lange spielen und so ihre Augen ständigen Reizungen aussetzen. Oder wenn Sie spielen, während Sie müde sind, weil sehr müde auch Anfälle auslösen kann. Ein Modus, der darauf hindeutet, dass Anfälle ausgeschlossen sind, könnte an sich problematisch sein. Zusätzlich zu der allgemeinen Warnung zu Beginn der meisten Spiele ist es besser, spezifische Informationen darüber bereitzustellen, welche anfallsinduzierenden Reize im Spiel enthalten sind, um die Spieler kurz vor dem tatsächlichen Auftreten der Reize erneut zu warnen.

Stufenweise spielen – zur Sicherheit

„Mein Bruder fand mich auf dem Boden liegend: Eine MRT zeigte, dass ich Epilepsie hatte“, erinnert sich Mark Keijzer an einen Tag, als er zehn Jahre alt war und zuvor lange Zeit ein Videospiel gespielt hatte. Er ist einer jener Menschen, die für die aktuelle Debatte direkt relevant sind.

Der Anfall in der Kindheit war nicht der einzige, den er beim Spielen von Videospielen bekam. 2011 spielte Keijzer lange Zeit „Batman: Arkham City“, und es passierte erneut. „Das hat meine Sicht auf die Situation verändert“, sagt der 29-Jährige.

Keijzer spielt jetzt nur noch in kurzen Phasen und nur in einem hell beleuchteten Raum – und er nimmt Medikamente, die das Risiko eines Angriffs verringern. Aber er wollte sein Hobby fortsetzen. Die neuesten Nachrichten zu »Cyberpunk 2077« haben ihn überrascht, sagt Keijzer: »Das Spiel war jahrelang in der Entwicklung und kein Testspieler hat in dieser Zeit bemerkt, dass all diese Lichter ein Problem sein könnten?«

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Es fällt ihm schwer, im Voraus herauszufinden, ob ein Spiel für ihn besonders problematisch sein könnte, sagt Keijzer. Er sieht einen großen Teil der Verantwortung bei den Spielern selbst, die darauf achten müssen, welchen Reizen sie sich aussetzen und welchen nicht. Keijzer meint aber auch: „Publisher sollten ihre Spiele zertifizieren, bevor sie sie ausliefern, denn deshalb werden sie getestet.“

Und wenn er plötzlich selbst mit flackernden Lichtern konfrontiert wird? „Dann schaue ich schnell weg“, sagt Keijzer. „Auch wenn ich einen Teil der Geschichte vermisse.“

Ikone: Der Spiegel

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