Stiller Mangel: Es gibt neue Erkenntnisse darüber, warum einige Covid-19-Patienten an stiller Atemnot leiden – einem lebensbedrohlichen, aber symptomfreien Sauerstoffmangel. Dementsprechend ist zumindest ein Teil des Problems eine Lungenfehlfunktion. Blut wird zunehmend in die gebrochenen statt in die intakten Lungenbereiche geleitet, und Blutgerinnsel und ein unzureichender Blutfluss stören den Sauerstoffaustausch.
Es ist ein rätselhaftes Phänomen: einige Leute mit Covid-19 haben weder Husten noch spürbare Atemnot oder weitreichende LungenschadenDennoch leidet Ihr Körper unter einem gefährlichen Sauerstoffmangel. Die Sauerstoffsättigung Ihres Blutes erreicht dies stille Hypoxämie manchmal so niedrige Werte, dass sie tatsächlich ohnmächtig werden sollten.
Warum fällt das Alarmsystem aus?
„Wir wussten nicht einmal, dass so etwas physiologisch möglich ist“, sagt die leitende Autorin Bela Suki von der Boston University. Weil Sensoren in den Halsschlagadern normalerweise einen Alarm an das Gehirn senden, wenn das Gleichgewicht von Kohlendioxid und Sauerstoff im Blut nicht mehr korrekt ist. Dieses Alarmsystem scheint jedoch manchmal im Falle einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Coronavirus deaktiviert zu sein – warum ist immer noch ein Rätsel.
Wissenschaftler vermuten jedoch, dass die Virusinfektion unter anderem das Atmungszentrum im Gehirn betrifft, den Bereich, der bei Sauerstoffmangel das Gefühl von Atemnot auslöst. Denn SARS-CoV-2 kann durch die Nase und das Riechsystem erfolgen zum Gehirn wie Studien zeigen. Dort kann das Coronavirus auch in Teilen des Hirnstamms nachgewiesen werden – dem Bereich, in dem sich das Atmungszentrum befindet.
Was passiert in der Lunge?
Eine andere Frage ist noch offen: Warum tritt diese stille Atemnot in den frühen Stadien von Covid-19 auf – in einer Phase, in der die Lunge oft nur leicht angegriffen zu sein scheint? „Diese Patienten haben eine Hypoxämie, obwohl CT-Bilder ihrer Lunge nur minimale Bereiche mit eingeschränkter Beatmung zeigen“, erklären Suki und seine Kollegen. Mithilfe von Patientendaten und Computersimulationen haben sie nun ermittelt, wie dies sein kann und was in der Lunge vor sich geht.
Sie vermuten: Möglicherweise stimmt etwas mit der Blutflusskontrolle in der Lunge nicht. Normalerweise sorgt ein Rückkopplungsmechanismus dafür, dass das venöse Blut hauptsächlich dorthin fließt, wo der Luftaustausch gut funktioniert: Wenn Bereiche der Lunge aufgrund von Entzündungen oder Verletzungen schlecht belüftet sind, verengen sich die Blutgefäße in diesem Bereich. Durch diese hypoxische Vasokonstriktion wird das Blut hauptsächlich in die noch intakten Bereiche umgeleitet, und eine ausreichende Sauerstofffüllung des Blutes wird sichergestellt.
Gestörte Ablenkung des Blutes
Diese Ablenkung scheint jedoch bei einigen Covid 19-Patienten nicht mehr richtig zu funktionieren. Untersuchungen der Betroffenen legen nahe, dass sich die Blutgefäße in geschädigten Bereichen der Lunge nicht mehr zusammenziehen, so dass keine Umleitung des Blutflusses erfolgt. „Wenn Sie dies nicht tun, kann dies zu einer erheblichen Diskrepanz zwischen Atmung und Sauerstoffaustausch in der Lunge führen“, erklären Suki und sein Team.
Um zu testen, ob eine solche Fehlfunktion den Sauerstoffmangel des Patienten erklären kann, verwendeten die Forscher ein biophysikalisches Lungenmodell. Dabei reduzierten sie die Luftzufuhr in 17 Prozent des Lungengewebes, vergleichbar mit Covid-19-Lungenschäden im Frühstadium. Dann haben sie verschiedene Szenarien des Blutflusses und des Sauerstoffaustauschs nachgestellt.
Das Ergebnis: Wenn die Venen in geschädigten Lungenbereichen offen bleiben oder sich sogar erweitern, anstatt sich zusammenzuziehen, kann dies die Sauerstoffaufnahme des Blutes erheblich reduzieren, wie die Forscher berichten. Dieser Effekt allein reicht jedoch nicht aus, um die ungewöhnlich niedrige Sauerstoffsättigung bei einigen Covid-19-Patienten zu erklären.
Inhibierte Sauerstoffaufnahme
Aber es gibt noch einen anderen Faktor, der eine Hypoxämie auslösen kann: Wie Suki und sein Team feststellten, ist der Gasaustausch mit Covid-19 auch in den gesunden Bereichen der Lunge beeinträchtigt. Ursache hierfür sind zum einen Blutgerinnsel und Embolien in den kleinen Lungenvenen. „Wenn solche thrombotischen Embolien in den frühen Stadien von Covid-19 auftreten, können sie die schlechte Durchblutung der Lunge erhöhen und die Hypoxämie erhöhen“, sagten die Forscher.
Darüber hinaus besteht ein Ungleichgewicht zwischen der tatsächlich ausreichenden Sauerstoffversorgung der noch intakten Alveolen und der Fähigkeit des Blutes, dieses Atemgas aufzunehmen. Ärzte sprechen von einem Missverhältnis zwischen Beatmung und Perfusion. Ursachen hierfür können Entzündungen der Gefäßwände, aber auch eine unzureichende Durchblutung und ein unzureichender Blutdruck in den Lungenkapillaren sein.
Die Kombination ist das Problem
Laut Suki und seinem Team deutet dies darauf hin, dass die Coronavirus-Infektion nicht nur die Lungenzellen direkt angreift, sondern auch die Regulation der Lungenfunktion auf verschiedene Weise stört. Dies erklärt, warum ein Sauerstoffmangel auch bei Patienten auftritt, deren Lunge auf den ersten Blick weitgehend intakt erscheint.
„Die Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf dieses Virus“, sagt Suki. Umso wichtiger ist es, alle möglichen Ursachen für den gefährlichen Sauerstoffmangel zu kennen. Denn das kann helfen, die richtige Therapie für die Covid 19-Patienten zu finden. (Nature Communications, 2020; doi: 10.1038 / s41467-020-18672-6)
Die: Boston University
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