Die Koronainfektion in Deutschland zeigt große regionale Unterschiede. Während die Bezirke im Norden weniger als 25 Fälle pro 100.000 Einwohner haben, erreicht der 7-Tage-Wert im Süden bis zu 550. Warum das?
Von Patrick Gensing, Redaktion bei ARD-faktenfinder
Die Infektionsrate in Deutschland bleibt auf hohem Niveau. Insgesamt ist die siebentägige Inzidenz jedoch leicht zurückgegangen. Es gibt enorme regionale Unterschiede: Während Teile Norddeutschlands innerhalb von sieben Tagen deutlich unter der Grenze von 50 Fällen pro 100.000 Einwohner liegen, leuchten viele Bezirke im Südosten und Südwesten weiterhin tiefrot.
Bevölkerungsdichtefaktor
Bei einer RKI-Pressekonferenz im November hat die ARD Fact Finder fragte nach den Gründen für regionale Unterschiede. RKI-Direktor Lothar Wieler verwies einerseits auf lokale Ausbrüche und andererseits auf den Faktor der Bevölkerungsdichte. Die Situation in Städten ist im Allgemeinen schwieriger, weil mehr Menschen auf engstem Raum leben.
Insbesondere bei der ersten Welle im Frühjahr konnten lokale Schwerpunkte nach Ausbrüchen identifiziert werden – und Städte waren häufig besonders betroffen. Dieser Faktor allein kann derzeit jedoch nicht entscheidend sein. Dies zeigt den Vergleich der siebentägigen Inzidenz zwischen deutschen Großstädten: In Hamburg, der zweitgrößten Stadt Deutschlands, lag der Wert am Dienstag laut RKI bei 74 Fällen pro 100.000 Einwohner – und damit weit unter dem anderer Großstädte Städte wie Dortmund (172), Berlin (180), München (183) oder Dresden (201).
Darüber hinaus sind die Werte in vielen ländlichen Regionen viel höher als in verschiedenen Großstädten. Beispielsweise meldet der RKI eine Inzidenz von 263 für den Bezirk Main-Spessart; Verschiedene Bezirke in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen haben in den letzten sieben Tagen ebenfalls einen Wert von mehr als 200 Fällen. Einige kommen sogar zu 400 oder mehr als 500 Fällen pro 100.000 Menschen. Für eine hohe Inzidenz in ländlichen Regionen reichen jedoch relativ wenige Fälle aus.
Annahme der Maßnahmen
Ein weiterer Faktor für die Ausbreitung des Virus ist vermutlich die Akzeptanz der Schutzmaßnahmen in der Bevölkerung. Immer wieder appellieren Politiker an die Menschen, sich an die Empfehlungen zu halten. In den letzten Monaten hat das Hamburger Zentrum für Gesundheitsökonomie mehrere repräsentative Umfragen durchgeführt, um die Einstellungen, Bedenken und das Vertrauen der Menschen in Bezug auf die Covid 19-Pandemie in sieben europäischen Ländern mit jeweils mehr als 7.000 Befragten zu untersuchen. Nach den Ergebnissen Im November unterstützen 65 Prozent der Deutschen die derzeitige Sperrpolitik, so dass die derzeitigen Kontaktbeschränkungen in Deutschland als weniger drastisch angesehen werden als in anderen Ländern.
Die Ergebnisse zeigen jedoch regionale Unterschiede innerhalb Deutschlands hinsichtlich der Akzeptanz der Maßnahmen und beispielsweise der Impfbereitschaft. Während 63 Prozent der Befragten im Norden geimpft werden möchten und nur 15 Prozent nicht, liegen diese Werte im Westen bei 57 und 20 Prozent, im Süden bei 55 und 18 Prozent – und im Osten bei 52 Prozent geimpft – und 23 Prozent, die es nicht wollen. Norddeutschland wurde in der Studie so definiert, dass es Mecklenburg-Vorpommern einschließt; Ostdeutschland umfasst Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen.
Auf Wunsch der ARD Fact Finder Das Hamburger Zentrum für Gesundheitsökonomie lieferte weitere Ergebnisse: Auf die Frage, ob die Empfehlung zur Vermeidung von Händeschütteln, Umarmungen und Küssen bei der Begrüßung eingehalten werden soll, liegen die ostdeutschen Befragten bei 58 Prozent – und damit deutlich hinter dem Süden (64 Prozent), dem Norden (64 Prozent). 68 Prozent) und West (70 Prozent).
Wenn es darum geht, Abstand zu halten, sagten nur sehr wenige Menschen im Osten und Süden, sie würden diese dringende Empfehlung umsetzen – nämlich jeweils 41 Prozent; im Vergleich zu 47 Prozent im Norden und 51 Prozent im Westen.
Die Zahlen können zumindest als Hinweis darauf interpretiert werden, dass weniger Menschen im Osten und Süden den Empfehlungen folgen; Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es innerhalb der regionalen Bevölkerung signifikante Unterschiede gibt, beispielsweise in Bezug auf Geschlecht und Alter.
Geografische Position
Ein Faktor für die Ausbreitung des Virus ist wahrscheinlich die geografische Nähe zu ausländischen Hotspots. Die Zahl der Neuinfektionen in der Tschechischen Republik sinkt erneut, aber die 7-Tage-Inzidenz beträgt immer noch mehr als 240. In Österreich wurden mehr als 300 Fälle gemeldet, in Polen 240. Aber auch die Inzidenz in Dänemark liegt weit über den Werten in Schleswig-Holstein, sogar auf dem dünn besiedelten dänischen Festland. Dennoch dürfte der Standort an der Küste eine Rolle für die vergleichsweise geringe Inzidenz in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern spielen – solange es nicht Millionen von Touristen im Land gibt.
Dies war seit den Herbstferien nicht mehr der Fall – die Mobilität nahm spürbar ab. Zu diesem Zweck bietet das Statistische Bundesamt Auswertungen von Mobiltelefondaten andie zeigen, dass die Mobilität der Bürger im Frühjahr bundesweit massiv abgenommen hat. Im März lag der Wert um mehr als 30 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Besonders stark war der Rückgang an Sonntagen, was das Bundesamt als Zeichen dafür interpretiert, dass viele Menschen die Zahl der Bewegungen, auf die sie verzichten können, reduziert haben. Im Laufe von April und Mai wurde deutlich, dass die Änderungsrate zunehmend niedriger war als im Vorjahr.
Nur geringfügige Unterschiede zum Vorjahr
Seit Juni haben sich die Mobilitätszahlen weitgehend an die des Vorjahres angepasst. Erst seit Mitte Oktober liegt die Mobilität unter dem Niveau des Vorjahres – mit regionalen Unterschieden: Die Mobilität ist in Großstädten wie Hamburg und Berlin besonders stark zurückgegangen. Vermutlich wegen vermisster Touristen und Geschäftsleute.
Bis Ende November waren die Unterschiede bei den Mobilitätsraten trotz der Einschränkungen nicht mehr so groß wie im Frühjahr. Eine Folge des „Lockdown Light“: Geschäfte und Schulen bleiben geöffnet, das Arbeitsleben geht größtenteils weiter. Großstädte mit vielen kulturellen Angeboten sind dagegen stärker von den Maßnahmen betroffen, da Restaurants, Bars, Museen und andere Einrichtungen schließen mussten.
Diffuser Infektionsprozess
Bei der Suche nach den Ursachen regionaler Unterschiede gibt es keine einfachen Erklärungen. Je nach Region spielen immer verschiedene Faktoren eine Rolle, die berücksichtigt werden müssen. Auf Anfrage kündigte das RKI an, dass die Bevölkerungsdichte nicht der einzige Grund sein sollte, sondern beispielsweise auch Mobilität und möglicherweise Schutzverhalten. Die Verteilung kann jedoch nicht näher erläutert werden. Im Allgemeinen „sind solche Krankheiten nicht überall zur gleichen Zeit gleich, zum Beispiel nicht bei Influenza“.
Das RKI spricht daher von einem diffusen Infektionsprozess, der kaum nachvollziehbar ist. Im Gegensatz zur ersten Welle, als beispielsweise Ostdeutschland nur schwach betroffen war, hat sich das Virus auf der ganzen Linie verbreitet.
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