Bei einem Brand in Bütgenbach, Belgien, kommt manchmal die Feuerwehr aus Monschau – so nah ist die Gemeinde an der deutschen Grenze. Und Deutschland versucht jetzt auch, seinem belgischen Nachbarn in der Corona-Krise zu helfen.
Von Ralph Sina, ARD-Studio Brüssel
Bütgenbach in der belgischen Eifel, ein kleines Paradies mit 5.000 Einwohnern, umgeben von den Ardennen und dem Hochmoor. Mit einem Sandstrand am Dammsee, der die eingefleischten Triathleten des SC Bütgenbach zu jeder Jahreszeit inspiriert.
Die Hotels in Bütgenbach bewerben im Winter nahe gelegene Langlaufloipen und Skipisten und verweisen fast Jet-Set-weise auf die Fahrt zum nahe gelegenen Flughafen Lüttich.
Hotspot im Hotspot
Die belgische Provinz Lüttich ist derzeit eine der am stärksten von Corona betroffenen Regionen in Europa. Und der deutschsprachige Bütgenbach unweit von Lüttich ist derzeit sozusagen der Hotspot im Corona-Hotspot Belgien.
Mit 342 Neuinfektionen bei nur 5600 Einwohnern und einem vom belgischen Gesundheitsinstitut Instutut Sciensano registrierten Inzidenzwert von 6.076 liegt die Infektionsrate in Bütgenbach sechsmal höher als im Landesdurchschnitt in Belgien, dem von der Koronapandemie am stärksten betroffenen Land in Europa.
Kirmes eine Ansammlung von Maskenmuffeln
Bütgenbach wollte Anfang Oktober zeigen, dass sich Covid und Funfair nicht gegenseitig ausschließen. „In der Gemeinde Bütgenbach steigt das faire Fieber“, berichtete der „Grenzecho“, die einzige deutschsprachige Zeitung in Belgien, am 1. Oktober. An den ersten beiden Oktoberwochenenden fanden in der Gemeinde Bütgenbach drei Messeveranstaltungen statt.
Die Veranstaltungen waren als „fair light“ mit viel Sicherheitsspielraum geplant. De facto wurde der Maskenhaufen zu einem engen Ereignis. Die Anzahl der Fälle explodiert. „Bütgenbach ist ein trauriger Anführer“, bemerkt der „Grenecho“.
Neun Gesundheitsminister, keine Koordination
Der Hotspot Bütgenbach ist nur ein Beispiel für das belgische Covid-Drama. Das kleine Königreich hat neun belgische Gesundheitsminister, die sich kaum koordinieren. Erst kürzlich gab es in Brüssel eine Regierung, die wieder handeln konnte. Und die belgische Bevölkerung hat das Problem lange Zeit nicht ernst genommen.
„Wir haben gewarnt, aber leider erkennen Politiker und Bevölkerung erst jetzt, dass wir ein großes Problem haben“, betonte die belgische Virologin Elke Vlieghe ARD Studio Brüssel.
Krankenhäuser an der Grenze ihrer Kapazität
Auch Antonios Antoniadis, der Gesundheitsminister des deutschsprachigen Raums, ist besorgt. Weil die Krankenhäuser in Lüttich und Eupen nicht mehr in der Lage sind, andere schwer Covid-Patienten aus Bütgenbach intensiv zu versorgen. Die Krankenhäuser in Wallonien und im deutschsprachigen Ostbelgien sind einfach überfüllt. In Belgien gibt es keine Alternative mehr.
Deshalb hat der Gesundheitsminister der deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien buchstäblich das Offensichtliche getan und eine Einigung mit der Stadtregion Aachen und dem Land Nordrhein-Westfalen erzielt.
Die Kliniken im Stadtgebiet Aachen versprachen ihm zehn Krankenhausbetten. „Im Laufe der Zusammenarbeit würden wir dann darauf zurückgreifen. Aber die Betten wurden in keiner Weise reserviert“, betonte Gesundheitsminister Antoniadis.
Ein schreckliches Dilemma droht
Bütgenbach und ganz Belgien ist jetzt klar, dass die benachbarte Bundesrepublik nur in begrenztem Umfang helfen kann, zumal Covid-Patienten aus den Niederlanden in Deutschland behandelt werden.
„Bald werden wir vor einer schrecklichen Alternative stehen und uns entscheiden müssen, welcher Koronapatient gerettet werden soll“, sagt eine Krankenschwester im Charleroi-Krankenhaus. „Der Dreißigjährige? Oder der Sechzigjährige?“
In Bütgenbach, Belgien und im ganzen Land ist kein Ausweg für Schwerkranke in Sicht. Auf die Frage, ob er eine Implosion des belgischen Gesundheitssystems für möglich halte, antwortete Vandenbroucke, der Gesundheitsminister der Zentralregierung, sehr entschieden: Er hielt dies für absolut möglich.
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