„Hinweis für Seeleute 46/20: Deutschland. Ostsee. Gewässer um Rügen, VTG Adlergrund, 2 Unterwasserpipelines im Bau. „“
Wer sich in den letzten Tagen ein Bild von den Chancen des umstrittenen Nord Stream 2-Pipeline-Projekts machen wollte, war in Gefahr Ankündigungen der Bundesverwaltung für Wasserstraßen und Schifffahrt (WSV) angewiesen. Die Sprecher der in den Streit verwickelten Ministerien auf Landes- und Bundesebene waren ebenso stillschweigend wie die des Mandanten Gazprom. Die politische Situation ist derzeit besonders sensibel.
Mit dem neuen Sanktionsgesetz (PEESCA) hat der US-Kongress gerade seine Sanktionsdrohungen gegen europäische Auftragnehmer für das Pipeline-Projekt zwischen Russland und Deutschland ausgeweitet. Jetzt müssen Versicherer und andere Dienstleister auch mit ernsthaften Schäden für ihr US-Geschäft rechnen, wenn sie am Bau von Rohren in der Ostsee beteiligt sind.
Ostkomitee: Die Bedeutung der Pipeline hat zugenommen
Der Zertifizierer Det Norske Veritas – Germanischer Lloyd (DNV GL) hat daher seine Teilnahme an dem Projekt bereits beendet. Seitdem ist fraglich, woher die Pipelinebauer eine technische Abnahmebestätigung erhalten möchten, die für die Betriebserlaubnis erforderlich ist. Auch die Versicherer sollen ausgestiegen sein.
Das Ostkomitee Die deutsche Wirtschaft äußert sich besorgt: „Rein europäische Projekte wie Nord Stream 2 dürfen nicht von US-amerikanischen Stellen reguliert werden, sondern ausschließlich von den beteiligten europäischen Ländern und der EU. Wir sind umso mehr gegen die nun beabsichtigte Ausweitung möglicher Sanktionsziele, beispielsweise um Zertifizierungsunternehmen und Dienstleister. „“
Die Bedeutung der Pipeline für die europäische Energieversorgung hat laut Handelsverband „in den letzten Monaten weiter zugenommen“.
Derzeit gibt es viele unbeantwortete Fragen zum gigantischen Infrastrukturprojekt, bei dem russisches Erdgas zu Baukosten von mehr als acht Milliarden Euro direkt zum Landepunkt in Lubmin bei Greifswald transportiert werden soll.
„Politisches Werkzeug des Kremls“
Die politischen Kräfte in den USA versuchen, die europäischen Gaskäufe in Russland über alle Parteien hinweg und völlig unabhängig von der Trump-Regierung zu erschweren – einerseits, um zu verhindern, dass ihre Verbündeten stärker von Moskau abhängig werden, andererseits, weil sie lieber Europa mit amerikanischem Schiefergas selbst versorgen.
Das Interesse der Ukraine, ein Transitland für die russische Gasversorgung zu bleiben, ist auch für die Amerikaner wichtig. Die Pipeline, sagte ein Sprecher der US-Botschaft in Berlin gegenüber WELT, „ist ein politisches Instrument des Kremls, um die Ukraine zu umgehen und Europa zu spalten“.
Scharf formulierte Sanktionsdrohungen gegen deutsche und europäische Auftragnehmer für das Projekt hatten bereits in den letzten Monaten einen diplomatischen Skandal ausgelöst. Brüssel und Berlin untersagten Washingtons Einmischung in Fragen der europäischen Energieversorgung und erklärten die Sanktionsdrohungen als völkerrechtswidrig.
Es blieb lange Zeit unklar, ob die Russen technisch in der Lage sein würden, das Projekt selbstständig zu beenden, nachdem der Schweizer Reeder Allseas im Frühjahr seine Legeschiffe unter dem Druck amerikanischer Sanktionsdrohungen zurückgezogen hatte.
Gazprom ließ den russischen Pipeline-Installateur „Akademik Tscherski“ aus Fernost einbringen. Aber das Spezialschiff befand sich dann monatelang im Ostseehafen Sassnitz-Mukran auf der Insel Rügen am Kai, offenbar um für die neue Aufgabe nachgerüstet zu werden.
Zumindest dieses Geheimnis wurde jetzt durch die Benachrichtigung der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung gelüftet: Die „Akademik Tscherski“ ist bereit, die Segel zu setzen.
Rohrverlegung bis Ende des Jahres
Vom Samstag, 5. Dezember, bis voraussichtlich 31. Dezember, „wird laut WSV-Schifffahrtsnachrichten im Teil“ Adlergrund „der ausschließlichen Wirtschaftszone in Deutschland eine Unterwasserrohrverlegung von zwei parallelen Unterwasserpipelines stattfinden.
„Während der Arbeiten muss ein Sicherheitsabstand von mindestens 1,25 Seemeilen zum Rohrverlegungsfahrzeug eingehalten werden, das mit mehreren Ankern in Position gehalten wird.“ Das Ankern und Fischen ist nicht gestattet. „Es ist zu erwarten, dass zeitweise Mess- und Markierungsbojen installiert werden.“
Es ist nicht mehr so klar, dass „diese Pipeline nicht stattfinden wird“, wie amerikanische Regierungsbeamte kürzlich zuversichtlich behaupteten.
Weitere 16,5 Kilometer der Pipeline müssen in deutschen Gewässern verlegt werden. Nord Stream plant, im Dezember 2,6 Kilometer davon zurückzulegen. Ab Januar ist das Legen aus Vogelschutzgründen bis Juni verboten.
Ein Antrag auf Befreiung für diesen Zeitraum wird derzeit noch von den zuständigen Behörden geprüft, einschließlich des federführenden Bundesamtes für Seefahrt und Hydrographie (BSH).
Wenn die BSH ihre Zustimmung nicht erteilt, will Gazprom die Rohrabschnitte vorerst in deutschen Gewässern belassen und in Dänemark weiterbauen – um den verbleibenden Abschnitt in Deutschland nach der Vogelschutzpause fertigzustellen. In diesem Fall würde die Fertigstellung der Pipeline frühestens in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 erwartet.
Umweltschützer kritisieren Baugenehmigungen
Die Umweltschutzorganisationen Nabu und DUH kritisieren, dass die BSH die Arbeiten im Dezember zugelassen hat. Nach der ursprünglichen Genehmigung von 2018 sollte aus Gründen des Vogelschutzes zwischen September und Mai eine Pause eingelegt werden.
Aus Sicht der Umweltschützer ist die Baugenehmigung für Dezember fraglich, da die „Akademik Tscherski“ – anders als das ursprünglich in Betrieb genommene Allseas-Schiff – während der Verlegearbeiten am Boden verankert werden muss. Der weitere Bau von Nord Stream 2 sei „mit einer schweren Zerstörung des sensiblen Naturgebiets der Ostsee verbunden“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. „Mit ihren Ankern rührt die ‚Akademik Tscherski‘ Sedimente auf und zerstört den Meeresboden.“
Die Kritik an Umweltschützern ist auch oder vor allem klimapolitisch motiviert. „Der Bau von Nord Stream 2 widerspricht den europäischen und deutschen Klimazielen“, sagt Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz bei DUH: „Die Pipeline würde Erdgas transportieren, das rund 100 Millionen Tonnen CO enthält2 im Jahr. Die DUH fordert die Behörden auf, die Baugenehmigung für Dezember zu widerrufen.
Dies ist jedoch nicht zu erwarten. Die BSH weist darauf hin, dass die Möglichkeit eines weiteren Baus im Dezember bereits in der Genehmigung für 2018 enthalten war. Wesentliche Naturschutzgründe stehen nicht im Wege.
Aus ornithologischer Sicht sind die Ruhezeiten der Zugvögel im Januar und Februar relevanter. Dies bestätigte auch die dem Bundesumweltministerium unterstellte Fachbehörde auf Anfrage von WELT: „Das Bundesamt für Naturschutz hat keine Vorbehalte, die die Genehmigung des weiteren Baus von Nord Stream 2 in Frage stellen würden.“
Die BSH erklärt, dass sie einfach nicht für die klimapolitische Kritik an weiteren Gasimporten verantwortlich ist. Die zuständige Bergbaubehörde in Stralsund hatte vor Jahren den Energiebedarf von Gasimporten überprüft und bestätigt. Befürworter von Pipelines in Brüssel argumentieren auch, dass ein Ausbau der Energieinfrastruktur nützlich sein könnte, da die europäischen Gasquellen langsam austrocknen.
Nord Stream 2 kann auch Wasserstoff transportieren
Die deutsche Kohleausstiegskommission (WSB-Kommission) hatte unter Beteiligung von Greenpeace und anderen Umweltschützern bereits festgestellt, dass eine erhöhte Nachfrage nach Erdgaskraftwerken besteht, um den deutschen Ausstieg aus Kohle und Atomkraft auszugleichen.
Bei verschiedenen Gelegenheiten haben die deutsche und die russische Seite kürzlich darauf hingewiesen, dass der hochmoderne Nord Stream 2 auch für den Transport großer Anteile klimaneutralen Wasserstoffs ausgelegt ist.
Obwohl es offizielle Geheimhaltung gibt, versucht die Bundesregierung offenbar hinter den Kulissen, eine gesichtsschonende Lösung für die Fertigstellung der Pipeline zu finden. Eine Hintertür im amerikanischen Sanktionsgesetz PEESCA könnte helfen – absichtlich oder unbeabsichtigt.
Nach Untersuchungen von „Bild“ in Mecklenburg-Vorpommern ist die Gründung einer „Stiftung für Klimaschutz-MV“ geplant, die künftig als Generalunternehmer nach öffentlichem Recht die Fertigstellung der Pipeline in deutschen Gewässern betreiben wird. Die beteiligten Ministerien äußern sich derzeit nicht zu dem Bericht, bestreiten ihn jedoch auch nicht.
Alle beteiligten deutschen Unternehmen sollten daher nicht mehr als Auftragnehmer für die russische Projektgesellschaft Nord Stream 2 arbeiten, sondern formell als Subunternehmer der Mecklenburg-Westpommern-Stiftung.
Dies könnte sie vor den direkten Folgen amerikanischer Sanktionsdrohungen schützen. Die staatliche Stiftung selbst und ihre Mitarbeiter müssen sich nicht vor US-Sanktionen fürchten: Das neue amerikanische Sanktionsgesetz PEESCA sieht ausdrücklich vor, dass Unternehmen, aber nicht Regierungen, das Ziel der Sanktionen sein sollten.
Ob sich alle Beteiligten auf diese Lösung zur Gesichtsrettung einigen können, ist derzeit noch völlig offen.
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